Nachdem seit langem Pandemie-bedingt viele Projekte auf Eis gelegt waren, freuten sich die Schüler der Zellerschule und des Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG) umso mehr, dass nun wieder eine Autorenbegegnung realisiert werden konnte. Auf Einladung der beiden Schul – Fördervereine war diesmal der junge Autor Cihan Acar zu Gast, der mit seinem ersten Jugendroman „Hawaii“ letztes Jahr einen wirklichen Coup landete.
Er nahm die Klassen 9a und 9b der Zellerschule und sechs begleitende Lehrkräfte, darunter Brigitte Brunner, Florian Motzer, Walter Neulist und Bettina Heer, in mehreren Lesepassagen mit durch zwei heiße Sommertage und drei Nächte des Protagonisten Kemal. Nach einem Unfall muss der 20Jährige die vielversprechende Fußballkarriere bei Gaziantepspor aufgeben und sitzt nun notgedrungen und zwischen allen Fronten bei seinen Eltern in Hawaii, einem Brennpunkt am Rande Heilbronns, der rein gar nichts mit dem Inselparadies zu tun hat: Es gibt mehr Satellitenschüsseln als Fenster, und immer wabert der Geruch der nahen Knorr – Suppenfabrik herüber. Der Vater drängt Kemal, sich endlich Ziele zu setzen, zur Clique um seine ehemalige Freundin Sina findet er kaum noch Zugang, aber auch seine türkischen Freunde sind ihm teilweise fremd geworden. Bereits während seiner kurzen Profikickerzeit hat Kemal das Anderssein als „almanci“ (deutschstämmiger Türke) erfahren. Geblieben ist ihm nur sein schrottreifer Jaguar aus der Fußballerzeit. Mit ruhiger Stimme gelingt es Cihan Acar, die jungen Zuhörer zu fesseln und mit hinein zu nehmen in das Geschehen, aber auch in dessen Hintergründe – und seine eigene Vita. Denn der Autor, der selbst einmal Fußballer werden wollte – eine Illusion, wie sich zeigte – und neben seiner Autorentätigkeit Jura studierte, gestand, dass er als Teen „keinen Bock“ mehr auf Bücher, vor allem Schullektüre von Klassikern, hatte. In vielem fanden sich die Schüler wieder und lauschten umso gespannter den Lesepassagen.
In einer zweiten Einheit durften rund 50 OHG-Schüler der 10b und 10d mit ihren begleitenden Lehrkräften Bea-Lara Simmendinger und Patrick Krahe den Autor erleben, der nach anderen Lesereisen aktuell zum allerersten Mal in einer Schule zu Gast war. Die jungen Zuhörer waren spürbar angetan davon, wie Cihan Acar das Hin und Her Kemals zwischen zwei Kulturen, das authentische Nebeneinander von schwäbischer Provinz und postmigrantischer türkischer Community aus der Sicht des jungen Protagonisten in einer schnörkellosen, manchmal leicht ironischen Sprache schildert, ohne dabei in Stereotypen zu verfallen. Eines Nachts gerät Kemal in Heilbronn in eine eskalierende Straßenschlacht zwischen „Kankas“ (den „Blutsbrüdern“) und der rechten Gruppe HWA („Heilbronn wach‘ auf“). Diese Passage hat durchaus Bezug zu tatsächlichen Geschehnissen, denn als er den Roman „Hawaii“ zu schreiben begann, so der 36jährige Autor, war die AfD gerade in den Bundestag eingezogen, und 2016 hatte sich in seiner Heimatstadt eine selbsternannte Bürgerwehr gebildet. Die Mischung aus Fiktion und eigener Erfahrung des Autors fanden alle Schüler ebenso spannend wie das Ringen Kemals um seinem Weg: Nicht Kemal, der Kicker, der Herumtreiber oder Versager zu sein, sondern nur er selbst…. Wieder einmal eine gelungene Kooperation der beiden Schulen, die noch länger nachwirken wird! Und übrigens wird die dramatisierte Fassung von „Hawaii“ derzeit in der Inszenierung des renommierten Regisseurs Nurkan Erpulat im Stadttheater Heilbronn als Uraufführung gezeigt.
Text und Foto: Barbara Rennig
„Wir, die Klassen 10b und 10d waren bei der Autorenlesung von Cihan Acar. Er hat uns seinen neuen, bereits mit dem Literaturpreis der Doppelfeld Stiftung ausgezeichneten Roman „Hawaii“ vorgestellt und uns dabei fünf etwas längere Ausschnitte aus seinem Roman vorgelesen, in welchem er häufig auch Ereignisse aus seinem Leben eingebunden hat. Zwischendurch durften wir ihm auch Fragen stellen, die er dann ausführlich beantwortet hat. Diese Erfahrung war sehr interessant und wir sind ihm dankbar, dass er sich die Zeit für uns genommen hat.“
Text: Lotta und Stella, 10b